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BAG Urteil: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines ausländischen Arztes nicht ausreichend, wenn begründete Zweifel bestehen

Das Bundesarbeitsgericht hat am 15. Januar 2025 entschieden, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines ausländischen Arztes nicht ausreichend ist, wenn begründete Zweifel an dieser bestehen.

 

Sachverhalt – Was ist passiert?

Ein langjähriger Lagerarbeiter reichte nach seinem Urlaub in Tunesien eine ausländische ärztliche Bescheinigung ein, die ihn vom 7. bis zum 30. September 2022 krankgeschrieben hatte. Ihm wurde "strenge häusliche Ruhe" und ein Reiseverbot auferlegt.

Trotzdem buchte er bereits am 8. September eine Rückreise mit Auto und Fähre nach Deutschland – eine beschwerliche, mehr als 30-stündige Reise, die er am 29. September antrat. Nach seiner Rückkehr legte er eine weitere Krankschreibung eines deutschen Arztes vor.

Der Arbeitgeber erkannte die Krankschreibung aus Tunesien nicht an und kürzte das Gehalt um rund 1.580 Euro netto. Der Mitarbeiter klagte auf Lohnfortzahlung.


Rechtliche Bewertung – Was sagt das Gericht?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied:
Die ausländische ärztliche Bescheinigung allein reicht nicht aus, wenn berechtigte Zweifel an ihrer Aussagekraft bestehen.

In diesem Fall lagen laut Gericht mehrere ungewöhnliche Umstände vor, die zusammengenommen ernsthafte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Krankschreibung begründen:

  • Trotz Reiseverbot wurde eine lange Heimreise angetreten.
  • Die Dauer der Krankschreibung (24 Tage) war auffällig lang und nicht ausreichend medizinisch begründet.
  • Es fehlte eine Nachkontrolle.
  • In früheren Jahren war der Mitarbeiter wiederholt unmittelbar nach Urlaub krankgeschrieben worden.

Das Gericht hob daher die Entscheidung der Vorinstanz (Landesarbeitsgericht München) auf und verwies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Der Kläger muss nun konkret darlegen und beweisen, warum er im gesamten Zeitraum tatsächlich arbeitsunfähig war.


Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

1. Atteste aus dem Ausland sind nicht automatisch ausreichend.
Auch wenn eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich denselben Beweiswert hat wie eine deutsche, müssen darin klare Angaben zur Arbeitsunfähigkeit gemacht werden – nicht nur zur Krankheit.

2. Verhalten muss zur Krankschreibung passen.
Wer angeblich bettlägerig ist und trotzdem stundenlange Reisen unternimmt, riskiert den Verlust seines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung.

3. Bei wiederholter Krankheit direkt nach Urlaub steigt das Risiko für Zweifel.
Wiederholungen solcher Muster können den Beweiswert zukünftiger Krankschreibungen untergraben.


Empfehlungen für Mandanten

✅ Bei Krankheit im Ausland:

  • Achten Sie darauf, dass der Arzt klar zwischen „Krankheit“ und „Arbeitsunfähigkeit“ unterscheidet.
  • Das Attest sollte eine deutliche Begründung der Dauer und Schwere der Arbeitsunfähigkeit enthalten – idealerweise auf Deutsch oder mit beglaubigter Übersetzung.

✅ Vermeiden Sie widersprüchliches Verhalten:

  • Halten Sie sich an die ärztlichen Vorgaben (z. B. Reiseverbot).
  • Reisen oder andere Aktivitäten, die im Widerspruch zu der Krankheit stehen, können die Glaubwürdigkeit des Attests erheblich beeinträchtigen.

✅ Dokumentieren Sie Ihre Beschwerden:

  • Arbeitnehmer sollten zusätzlich notieren, welche Symptome Sie hatten, welche Medikamente Sie einnahmen und welche ärztlichen Anweisungen Sie erhalten haben.


BAG-Entscheidung vom 15.01.2025 (5 AZR 284/24)